2014 Mass & Fieber OST : DER SCHWARZE KOMET

Thomas Rhyner Plakat

DER SCHWARZE KOMET

Varieté in 17 Szenen

TEXTFASSUNG. Mit Musik von Johannes Geißer, Felix Huber, Michael Semper, inszeniert von Niklaus Helbling. MASS & FIEBER OST im Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes mit Theaterhaus Jena. Premiere 8. Mai 2014.

KOMET-Trailer Staatstheater Mainz nach Torsten Eckolds Mitschnitt.

11. Wal-Witz-Trio
GUSTAV: Also ich finde das deprimierend.
EVA: Was findest du deprimierend, Chef?
GUSTAV: Ich werde beobachtet.
EVA: Ach ja?
GUSTAV: Und belauscht!
EVA: Na ja. Du stehst auf der Bühne. Da passiert es schon mal, dass Menschen dich hören und sehen.
ALFRED: Augen auf bei der Berufswahl!
GUSTAV: Und dann schreiben sie alles auf.
EVA: Die Zuschauer?
GUSTAV: Na, die Spitzel natürlich! Die andern!
ALFRED: Eva, dem geht es nicht gut.
EVA: Chef, dir geht’s nicht gut.
GUSTAV: Deprimierend. Schaut euch die Leute an.
EVA: Bis eben ging es den Leuten prima.
ALFRED: Sei dir da mal nicht so sicher.
EVA: Was willst du denn?
GUSTAV: Ich weiß nicht.
EVA: Ich auch nicht.
ALFRED: Ich auch nicht.
EVA: Soll ich mich vielleicht ausziehen?
GUSTAV: Nein. Eva, das möchte ich lieber nicht.
EVA: Schon gut.
GUSTAV: Es ist nicht so, dass du nicht sehr, sehr hübsch bist, aber.
EVA: Schon gut.
GUSTAV: Du hast dieses Ding da.
EVA: Schon gut!
ALFRED: Was hat Eva für ein Ding da?
GUSTAV: Na, dieses Ding da. Im Bauchnabel.
ALFRED: Eva? Was hast du für ein Ding da im Bauchnabel?
GUSTAV: Lassen Sie es, Alfred.
ALFRED: Eva?
EVA: Wenn er nicht will, dann will er nicht.
ALFRED: Versteh ich nicht.
GUSTAV: Was verstehen Sie nicht.
ALFRED: Ich meine, ich hab mich ausgezogen.
GUSTAV: Ja, und?
ALFRED: Ich hab mich ausgezogen. Und sie soll sich nicht ausziehen?
GUSTAV: Lieber nicht.
ALFRED: Und warum nicht?
GUSTAV: Weil es mich deprimiert.
EVA: Das war sein Grund. Das hat er gesagt.
ALFRED: Aber er ist doch schon deprimiert.
EVA: Wer nicht will, der will nicht.
ALFRED: Es liegt vielleicht am Engel.
GUSTAV: Möglich. Engel sind irgendwie deprimierend.
ALFRED: Oder an dem Unbekannten.
EVA: Na, so unbekannt ist der ja wohl nicht.
ALFRED: Wie, kennst du den?
EVA: Psst! „Seine Zeit ist noch nicht gekommen.“
GUSTAV: Von wem sprecht ihr?
ALFRED: Leute! Ich könnte ja einen Witz erzählen.
GUSTAV: Deprimierend.
EVA: Jetzt lass ihn doch einen Witz erzählen.
ALFRED: Hab ich selbst erfunden.
EVA: Wirklich?!
ALFRED: Ja.
GUSTAV: Hört hört. Alfred hat einen Witz erfunden.
EVA: Du klingst skeptisch, Chef.
GUSTAV: Ich bin deprimiert.
EVA: Du kannst ja einfach nicht hinhören.
GUSTAV: Werde ich auch nicht.
ALFRED: Also. Mein Witz handelt von Jonas und einem Schiff und einem Walfisch.
GUSTAV: Wale sind keine Fische.
EVA: Ich dachte, du wolltest nicht hinhören.
GUSTAV: Tu ich auch nicht.
ALFRED: Also. Jonas war der Kapitän eines Schiffes. Und mit diesem Schiff –
GUSTAV: Was für ein Schiff?
ALFRED: Weiß ich nicht. Von der Marine.
GUSTAV: Welche Marine?
ALFRED: Die Thüringer Marine!
EVA: Könnt ihr mal aufhören? So kommt Alfred nie zu seinem Witz.
ALFRED: Also. Jonas fährt auf seinem Schiff übers Meer.
GUSTAV: Welches Meer.
ALFRED: Na, irgendein Meer mit Walfischen drin halt.
GUSTAV: Wale sind keine Fische. Sie Idiot.
EVA: Chef, jetzt lass ihn doch.
ALFRED: Also. Jonas fährt in seinem Schiff über das Meer. Plötzlich kommt ein Walfisch. Ein Wal. Ein schwimmendes Säugetier.
GUSTAV: Meine Mutter hat mich nicht gesäugt.
ALFRED: Menschen werden nicht gesäugt.
GUSTAV: Denn sie starb ja in der Minute, als ich zur Welt kam.
ALFRED: Gestillt. Menschen werden gestillt.
EVA: O Chef, wie furchtbar.
GUSTAV: Ich bin in Waisenhäusern aufgewachsen.
ALFRED: Es kommt also zu Jonas auf seinem Schiff ein Waisenhaus. Ich meine ein Walfisch. Ein Wal!
EVA: Alfred. Der Chef hat gerade ein Trauma mit uns geteilt.
ALFRED: Eva! Ich dachte, du wolltest meinen Witz hören.
EVA: Stimmt. Chef, wir verschieben das Waisenhaus auf später.
ALFRED: Der Wal hat Hunger.
GUSTAV: Wir hatten auch Hunger.
ALFRED: Jonas wirft ihm also eine Kiste Bananen in den weit geöffneten Rachen.
GUSTAV: Wir hatten nie Bananen.
EVA: Na ja. Bananen sind überschätzt. Und dann, Alfred?
ALFRED: Und dann wirft Jonas dem Wal einen Hocker in den Rachen.
EVA: Einen Hocker?
ALFRED: Richtig. Der Wal hat aber immer noch Hunger.
GUSTAV: Dieser Witz erinnert mich an Lenin.
ALFRED: Also wirft sich Jonas –
GUSTAV: Lenin war mein Held.
ALFRED: Jonas wirft sich selbst in den Rachen des Wals.
GUSTAV: Was die wenigsten Menschen über Lenin wissen: Privat konnte er sehr, sehr komisch sein.
ALFRED: Der Wal schwimmt drei Jahre lang durch sämtliche Weltmeere. Und am Ende wird er gefangen. In Wladiwostok.
GUSTAV: Diesen Witz zum Beispiel hat Lenin recht gerne in privatem Kreis erzählt.
EVA: Du kennst diesen Witz?
GUSTAV: Der Walfisch wird gefangen. Er wird aufgeschnitten. Und was finden wir in seinem Bauch? Jonas, der auf dem Hocker sitzt und die Bananen für drei Rubel das Stück verkauft.
ALFRED: Das ist doch alles gelogen, Schott.
GUSTAV: Was wollen Sie damit sagen?
ALFRED: Deine Mutter lebt noch, du warst nie im Waisenhaus und Lenin war überhaupt nicht komisch.
GUSTAV: Na ja, ein bisschen schon.
ALFRED: Und ich glaube auch nicht, dass irgendjemand im Publikum mitschreibt.
EVA: Für einen Moment hatte ich richtig Mitleid.
ALFRED: Und jetzt ist der Moment, wo du dich ausziehen könntest, Eva.
GUSTAV: Aber deprimiert bin ich wirklich.
Eva zieht sich aus und ein Burschenschaftskostüm kommt zum Vorschein.

(Textrechte vertreten durch RTV)

Was für ein Kuriositätenkabinett! … Nur nach einem tieferen Sinn sollte man nicht in jedem Falle suchen. Vielleicht aber findet man – in der Summe betrachtet – diesen: Verteidigung der Poesie.

Uraufführung in Jena: Charmanter Chamäleonzauber,Frank Quilitsch, Thüringischen Landeszeitung, Mai 2014

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